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2021 – Ein Rückblick

Im vergangenen Jahr konnte schon an vielen Stellen wieder Normalität in der Öffentlichkeitsarbeit von EXIT-Deutschland hergestellt und viele Kooperationen, Veranstaltungen – On- und Offline – sowie Ausstellungen und Aktionen umgesetzt werden. Unser Rückblick mit den wichtigsten Projekten, Ereignissen & Ergebnissen im Jahre 2021, mit sieben verlinkten Berichten zu unterschiedlichen Aktivitäten.

Haut, Stein – Veränderung im Blick

Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erinnerte an die Befreiung der Konzentrationslager vor 76 Jahren. In diesem Rahmen initiierten wir in Kooperation mit der Stiftung und dem Künstler Jakob Ganslmeier die Ausstellung „Haut, Stein“.

Die Ausstellung, die erstmals als Installation im öffentlichen Raum präsentiert werden konnte, rückt den Umgang mit nationalsozialistischen Symbolen in den Blick und hinterfragt dabei das Verbleiben, Verwenden und Verwischen einschlägiger Zeichen aus zwei Perspektiven: in Architektur und baulichen Ornamenten schreibt sich die Symbolik des Nationalsozialismus noch immer deutlich sichtbar fort – Als Tätowierungen dienen diese Zeichen dem individuellen Bekenntnis zum Rechtsextremismus.

Eingraviert in die Haut werden die Zeichen im Zuge des Ausstieges zu Relikten der Vergangenheit, die sich nicht so einfach auslöschen lassen. Im Zuge der mentalen Aufarbeitung der Weltanschauung und der Unterstützung bei der Neuorientierung im Alltag hilft EXIT-Deutschland auch bei der Entfernung rechtsextremer Tattoos. Die Ausstellung möchte den Ausstieg aus dem Rechtsextremismus als Prozess des Wandels greifbar machen und die innere Distanz des Betrachters zum Ausstellungsgegenstand aufbrechen. Die sehr persönlichen, individuellen Geschichten und großformatigen Portraits erzeugen eine gewisse Nähe und laden somit zu einer intensiven Auseinandersetzung ein. Sie gehen unter die Haut.

Daneben zeigen Schwarz/Weiß-Fotografien des Künstlers historische NS-Symbole an Häusern, Schmuckbändern, Fassaden in ihrem räumlichen Zusammenhang im Dorf, an Straßen, in Siedlungen, die bis heute unverändert sichtbar oder nach Versuchen der Verfremdung noch immer erkennbar sind. Das Gesamtprojekt stellt die individuellen Geschichten in einen gesellschaftspolitischen Zusammenhang und richtet an die Betrachter vor allem eine Frage: wie vergangen ist die deutsche Vergangenheit?

Neben Weimar wurde die Ausstellung in Nordhausen und Ostritz präsentiert. Zur Vernissage am 06.11.2021 kamen mehr als 70 Gäste in die historische Villa Heinrichwerk in Ostritz und diskutierten zum Thema Rechtsextremismus. An einem Ort, der in der Vergangenheit mit Veranstaltungen der rechtsextremen Szene konfrontiert war, ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema besonders wichtig.

Neben Vorträgen aus dem Team von EXIT-Deutschland zu aktuellen Entwicklungen des Rechtsextremismus, kultursubversiven Prozessen und Ausstieg, berichtete Jakob Ganslmeier über Idee & Entstehung der Ausstellung in Workshops mit Schülern und interessierten Gästen. Bei der Ausstellung geht es weniger um einen erhobenen Zeigefinger, als um Verantwortung: um jene der Aussteiger und um jene einer Gesellschaft vor dem Hintergrund ihrer Vergangenheit und einer Gegenwart, in der noch heute sichtbare Symbole und Propaganda eines faschistischen Systems eine Mahnung sein sollten.

Podcast zur Ausstellung

Die Ausstellung wird durch einen Podcast begleitet, der die Geschichte der Protagonisten erzählt. Die eingesprochenen Interviews erzählen die Geschichten von fünf Männern und zwei Frauen: von ihrem Ein- und Ausstieg, über Gründe, Zweifel – von der Entscheidung bis zum Bruch, sowie von ihrem Leben nach dem Ausstieg und der Entfernung von Szenetattoos. Während die Ausstellung die Entfernung der Tattoos fotografisch dokumentiert, wird durch die Geschichte die Person hinter den Fotografien sichtbar.

Die Geschichten wurden von Felix Lobrecht, Patrick Salmen, Julia Gamez Martin, Steffen Schroeder, Felix Römer, Ariana Baborie und Kai Lüftner eingesprochen.

„Voller Begeisterung habe ich euren Podcast und demnach euch, exit Deutschland, entdeckt. Die Geschichten sind berührend und eignen sich, und das ist besonders für mich spannend, auch für Politikunterricht, da ich Lehrer bin.“ _Ö. Lehrer

Das Interesse am Podcast ist überwältigend. Nach nur einem Tag war der Podcast in den deutschen Podcast-Trends von Spotify auf Platz fünf und hielt sich in der ersten Woche nach Erscheinen gar auf Platz zwei. Insgesamt wurden in den ersten 12 Tagen mehr als 38.000 Personen erreicht und der Podcast mehr als 30.000 Mal abgespielt. Die 13 Folgen wurden bis zum Jahresende in 48 Ländern gehört und erreichten dabei mehr als 62.000 Menschen.

Den Podcast gibt es bei Spotify und überall, wo es Podcasts gibt.

Veranstaltungen

Neben mehr als 65 Veranstaltungen, die durch Ausgestiegene oder Mitarbeiter unterstützt bzw. umgesetzt wurden – etwa für Stiftungen, Universitäten, Schulen und Initiativen – gab es acht eigene Veranstaltungen, darunter drei Ausstellungen, zwei Video-Podcasts, zwei Online-Workshops und eine internationale Konferenz. Bei Kooperationsveranstaltungen mit Partnern informierten wir ebenfalls über unsere Arbeit, wie etwa im Rahmen des „Symposium Rechtsextremismus und -terrorismus in Deutschland“, ausgerichtet vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) und bei einem Workshop bei der katalanischen Polizei.

Auch gab es im vergangenen Jahr zwei neue Folgen unseres Video Podcast – Formats Ausstieg & Deradikalisierung. ‒ ein interaktiver Video-Podcast zum Thema Deradikalisierung und Ausstieg von EXIT-Deutschland. Das Format bringt praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Ansätze der Deradikalisierungs- und Ausstiegsarbeit zusammen mit dem Ziel, Handlungsräume und Potentiale zu erörtern und für Praktiker im Feld zu erschließen. Die dritte Folge widmet sich dem Thema „Ausgestiegene in der politischen Aufklärung.“ Die Publikation und das Video zur Veranstaltung findet sich hier. Die vierte Folge hat „Deradikalisierung und Ausstieg im kommunalen Kontext und Zielgruppenansprache“ zum Thema. Zusammen mit dem Aktionskreis EXIT-Deutschland, Partnern aus Essen und vom Bündnis Remagen diskutierten wir folgende Fragen: Wie erreicht man eine Zielgruppe, die relativ abgeschottet agiert und nicht erreicht werden will, mit einer Nachricht, die ihre Weltanschauung in Frage stellen soll? Welche Rolle können Kampagnen im öffentlichen Raum in diesem Zusammenhang spielen? Können Gruppen wie Neonazi-Kameradschaften auf diese Art erreicht werden und bei den Empfängern etwas auslösen? Und wie reagieren diese Gruppen auf entsprechende Aktionen?

Strasbourg, Niederösterreich, München

Im Rahmen der #NoHate-Kampagne des Council of Europe wurde durch die ASH-Bayern / Felix Benneckenstein (in Präsenz) zum wiederholten Mal die Veranstaltung „European Youth Event“ (#EYE2022) des Europaparlaments in Strasbourg / Frankreich unterstützt. Ebenfalls erneut beteiligt waren wir an der Veranstaltung „Jugend-Enquete Ostarrichi“ des Museumvereins Ostarrichi in Neuhofen / Ybbs (Niederösterreich), unterstützt durch die Österreichische Bundesregierung. Im Anschluss wurde noch eine Veranstaltung gemeinsam mit der Österreichischen Liga für Menschenrechte durchgeführt mit Teilnehmern aus ganz Österreich. Darüber hinaus erfolgte eine Beteiligung an einer Reihe von Podiumsdiskussionen und Workshops zum Thema: „Antisemitismus? Nein Danke“ des Gesellschaftswissenschaftlichen Instituts München in Kooperation u.a. mit der Antisemitismus-Recherchestelle RIAS, der Synagogenstiftung Ichenhausen, der Jüdischen Gemeinde Amberg und den Antisemitismusbeauftragten der bayerischen Staatsregierung. Die meisten Veranstaltungen fanden online statt. Auch hier sind Präsenzveranstaltungen für die kommende Zeit vorgesehen.

Internationale Zusammenarbeit

Auch international konnten wir einiges bewegen. Seit 2021 leitet EXIT-Deutschland die Arbeitsgruppe Communication & Narratives des Radicalisation Awareness Network (RAN). Das Netzwerk der Europäischen Kommission bringt Politik, Praxis und Wissenschaft zusammen und unterstützt internationale Ansätze der Prävention und Intervention und ermöglicht den Erfahrungsaustausch. Das RAN ist seit vielen Jahren ein Partner von EXIT-Deutschland.

Auch unsere Veranstaltungsreihe “Exploring the multidimensional role of former Extremists in the prevention, intervention and countering of violent Extremism” in Zusammenarbeit mit der Universität Victoria (Australien) und Exit-Finnland wurde fortgesetzt. Hierbei konnten sich internationale Akteure aus Praxis und Wissenschaft über die Rolle von Ehemaligen in der Prävention austauschen. Ein englischsprachiger Bericht kann hier gelesen werden.

Internationale Konferenz

Dank der langjährigen Kooperation mit der Universität Victoria und unseren internationalen Partnern konnte 2021 eine internationale Konferenz umgesetzt werden. Die dreitägige Konferenz in Kooperation mit der Universität Victoria, EXIT-Finnland, Fighters for Peace und Resolve Network untersuchte den (sich verändernden) Terrorismus im Gesamtzusammenhang und diskutierte mit Praktikern und Akademikern den aktuellen Wissensstand über gewalttätigen Extremismus. Vermittelt wurden praktische Ansätze aus Australien, Europa, Südostasien und Nordamerika. Mit über 100 Teilnehmern (66 Workshop-Teilnehmer aus 26 Ländern) wurden die Erkenntnisse der 22 Referenten geteilt. Ein voller Erfolg, wie uns von vielen Seiten im Nachgang der Veranstaltung mitgeteilt wurde.

Addressing the New Landscape of Terrorism EXIT-Deutschland

„Let me express my gratitude for your invitation to yesterday’s session. For me it was really profitable and I was impressed not only by the high level of the speakers but also by the interesting contributions of those who made up the workshops.“ _ Policia de la Generalitat –Mossos d’Esquadra

Insgesamt konnten durch alle Veranstaltungen 2021 mehr als 3.354 Personen erreicht werden.

JEX Journal EXIT-Deutschland

Unser Angebot im Online-Bereich wurde auch 2021 weiter grundlegend ausgebaut. Somit fand sich trotz eingeschränkter Möglichkeiten ein Weg, Inhalte unserer Arbeit zu präsentieren und Erfahrungen zu vermitteln. Das Journal EXIT-Deutschland (JEX) setzt auf Verbindung & Synergie zwischen Wissenschaft und Praxis. Daher besteht die Redaktion des Journals aus wissenschaftlichen Experten und erfahrenen Praktikern. Alle Beiträge stehen unter dem unmittelbaren Primat der praktischen Relevanz.

Das Journal ist in zwei Bereiche unterteilt: den wissenschaftlich-theoretischen und den praktischen Teil. Beide Bereiche ergänzen sich gegenseitig in einem Dialog, verbunden durch eine Schwerpunktsetzung für jede Ausgabe zu den Themenbereichen freiheitsfeindlicher Radikalität und im Zuge dessen zu Extremismus, Radikalisierung, Terrorismus, Deradikalisierung sowie Artikel von Praktikern aus der Deradikalisierungsarbeit.

Nicht zuletzt dank der Verstärkung unserer internationalen Redaktion durch Dr. Virginie Andre und Robert Örell wurden allein in vergangenen Jahr 60 Beiträge von 35 Autorinnen und Autoren veröffentlicht. Im Monat griffen mehr als 1.200 Leser auf Inhalte des Journals zu. Insgesamt konnten 34.700 Zugriffe von mehr als 15.000 Nutzern verzeichnet werden.

Social media und #NoHate

Über soziale Medien hat EXIT-Deutschland allein bei Facebook 96.000 Personen (Reichweite / Impressionen) erreicht. Im Monat waren es durchschnittlich 8.000 Impressionen von Beiträgen und 1.000 Interaktionen bei Facebook. Mit dem Kurznachrichtendienst Twitter wurden im Jahr 2021, mit durchschnittlich 18 Tweets im Monat, 369.682 Personen erreicht. Das Profil von EXIT-Deutschland wurde 13.339 mal abgerufen. Über Instagram erreicht EXIT im Monat circa 3.050 Personen und hatte durchschnittlich 500 Interaktionen.

Zusammengenommen wurden 2021 mit den Social-Media-Kanälen von EXIT-Deutschland fast eine halbe Millionen Menschen erreicht. Über die Facebook-Seite unsere Kampagne #HassHilft konnten 2021 rund 2,3 Millionen Nutzer erreicht werden. Im Monat interagieren durchschnittlich 66.600 Nutzer mit der Facebook-Seite. Mit dem Kurznachrichtendienst Twitter erzielten die Tweets von #HassHilft 1.241.600 Impressionen.

Zusammengenommen konnten die Kanäle von EXIT-Deutschland über Twitter und Facebook mehr als 4 Millionen Nutzer erreichen.

Am 27.07. 2021 startete fritz-kola mit recolution, dem FC St. Pauli und EXIT-Deutschland die #NoHate- Kampagne mit dem Ziel, Hass, Hetze und Ausgrenzung jeglicher Art etwas entgegenzusetzen. Mit diversen Aktionen wurde die Kampagne umgesetzt, darunter Bandenwerbung im Stadion am Millerntor für EXIT-Deutschland, Auktionen, eine Kollektion, eine fritz-kola-Sonderedition sowie zahlreiche Informationsflyer.

Auf ein Neues!

Auch 2022 werden wir Menschen unterstützen, die sich die Sinnfrage stellen und mit dem Extremismus brechen möchten. Diejenigen, die in vergangenen Jahr den Weg zu uns fanden, haben ihre persönliche Antwort schon gefunden. 69 Personen (darunter 14 Frauen zum Teil mit Kindern) haben sich an uns gewandt, die neu in die Ausstiegsbegleitung aufgenommen wurden. Damit befanden sich zum Jahreswechsel 89 Personen in der Begleitung. Seit Beginn unserer Arbeit im Jahr 2000 sind es insgesamt 884 Menschen, die wir beim Ausstieg aus der rechtsextremen Szene unterstützt haben.

Wir werden auch in diesem Jahr spannende Veranstaltungen umsetzen und mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten. Und wir werden uns auch in diesem Jahr unausweichlich sichtbar machen. Wie im letzten Jahr in Remagen.

An dieser Stelle möchten wir uns wieder bei allen bedanken, die uns und unsere Arbeit in so vielfältiger Art & Weise unterstützt haben. Wir sagen ganz herzlich DANKE!!! – denn ohne diese Unterstützung hätten wir – wie so oft – unsere Arbeit nicht umsetzen können.

Besonderer Dank gilt allen Spendern! Sie ermöglichen uns, die Arbeit von EXIT-Deutschland überhaupt (und im erforderlichen Umfang) umzusetzen. Überhaupt deshalb, da wir für die Förderung des BMFSFJ eine Ko-Finanzierung von 10 % aufbringen müssen und diese im erforderlichen Umfang – die Förderung stellt lediglich eine Grundsicherung dar – den notwendigen Bedarf und alle anfallenden Kosten nicht abdeckt. Wir haben eine Förderzusage für den Zeitraum 2020-2022 in Höhe von jährlich 225.000 € bei jeweils jährlicher Neubeantragung.

Nix mitbekommen?

Wer sich jetzt fragt „Was habe ich da nur alles verpasst?!“ und im neuen Jahr nicht wieder erst nach Ablauf des Jahres über unsere Arbeit und Aktivitäten informiert werden möchte …

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Jahresrückblick 2020

Titelbild: Etienne Girardet / unsplash.com