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Mein Abschiedsbrief an die rechtsextreme Musik

Von ACD.

„Liebe“ rechte Musik,

du hast diesen Brief sicher schon lange kommen sehen und ich muss sagen: „Ja, er kommt zu spät an, aber jetzt ist er da.“ Wir kennen uns auch schon recht lange, nicht wahr? Im Alter von 18-19 Jahren lernte ich dich kennen. Zuerst habe ich dich verurteilt, doch langsam haben deine stillen Mitwisser, die nicht ganz zu dir gehören aber mit dir zusammensitzen wollen, mich mit zu dir geführt.

Du warst mehrere Jahre in meinem Leben und hast so viel davon miterlebt. Als ich an die Uni kam warst du da, als ich meine Prüfungen bestanden habe hast du mir Kraft gegeben. Ich weiß noch, als ich meinen Führerschein gemacht habe. Auch hier hast du mich auf dem Weg begleitet. Du hast mir gesagt, dass Odin Stärke liebt und somit musste ich stark sein und ich blieb stark. Ich schaffte die Prüfung. Als ich nicht weiter wusste mit meiner damaligen Freundin warst du für mich da und hast gesagt: „Du bist stark. Du schaffst das“ und ich blieb stark.

Doch diese Zeit ist vorbei. Denn du hast mich nicht stärker gemacht. Du hast mir eine fiktive Welt vorgespielt, in der ich mich verstecken konnte, anstatt mich zu öffnen. Somit: Ich will dich nicht und brauche dich nicht. Ich brauche deine bestärkenden Worte nicht, ich brauche deine falsche Gemeinschaft und „Kameradschaft“ nicht. Ich habe etwas anderes gefunden, was mich bestärkt; ich habe Freunde, die für mich da sind, nicht weil ich dich in meinem Leben habe, sondern wegen mir.

Verantwortung

Eigentlich beendet man Abschiedsbriefe mit „Ich wünsche dir alles Gute“ oder „ich hoffe, du wirst glücklich“, doch dir kann ich das nicht wünschen, denn du bist ein Problem. Du nimmst schwache Menschen, die nicht wissen, wo sie im Leben stehen und gibst ihnen einen falschen Weg vor. Du nimmst Menschen, die anderen Menschen schaden wollen und gibst ihnen einen Grund dafür. Du gibst ihnen eine Ausrede und lässt es gut und richtig erscheinen. Du belebst eine Zeit wieder, die vorbei ist und die das größte Verbrechen in Europas Geschichte ist. Durch dich lebt diese Geschichte weiter und wird verzerrt. Du bist mitverantwortlich dafür, dass heute noch Menschen den Namen „Hitler“ oder Begriffe wie „Drittes Reich“ positiv sehen. Du bist mitverantwortlich dafür, dass Menschen sterben oder im Krankenhaus behandelt werden müssen. Du machst Menschen krank, verdrehst ihre Weltsicht und sorgst dafür, dass sie andere darin bestärken und weiter verdrehen. Du hast Leben zerstört. Bei mir bist Du mitverantwortlich dafür, dass ich mich an manchen Tagen kaum im Spiegel sehen konnte. Du bist mitverantwortlich dafür, dass ich meinen Körper mit Tattoos verunstaltet habe. Die Narben davon muss ich den Rest meines Lebens tragen. Du bist mitverantwortlich dafür, dass sich Freunde für mich schämten, dass sich manche von mir abgewandt haben. Ich verurteile sie nicht dafür, doch ich bin nicht mehr bei dir.

Meine zwei Leben: Der Kampf gegen den Zombie im Keller

Somit: Nein, ich wünsche dir nicht alles Gute. Ich wünsche, dass mehr Personen von dir wegkommen. Ich wünsche mir, dass du eines Tages nur noch ein dunkles Kapitel unserer Geschichte bist. Etwas, was Menschen studieren, um herauszufinden, wie man die neuen Gefahren der Demokratie bekämpfen kann. Ich hoffe, mit diesem Brief dazu beizutragen. Ich arbeite gegen dich. Ich arbeite an mir, um zu verstehen warum du in mein Leben kamst und ich darf mit anderen arbeiten, die auch gegen dich kämpfen und so wirst du kleiner werden. Ich hoffe, dass meine Geschichten anderen helfen, die noch bei dir sind und so zu Demokratie und Gerechtigkeit zurückkommen und durch dich nicht weiter der Barbarei verfallen.

Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld

Somit ist dies kein „Leb wohl“; das ist kein „auf nimmer Wiedersehen“. Denn ich will nicht, dass andere Menschen wegen dir Leiden müssen. Ich will nicht, dass in diesem Land Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder Sexualität Angst haben müssen, weil du andere gegen sie aufhetzt. Ich will, dass sie an diesem Land teilnehmen und dass sie ihre Individualität hier einbringen und unsere Gesellschaft weiterbringen. Ich will nicht, dass sich junge Menschen wegen dir die Zukunft verbauen. Ich möchte, dass sie sich etwas aufbauen. Dass sie die Gesellschaft bereichern, anstatt sie zu bekämpfen. Ich will nicht, dass durch dich Kriminelle Geld erhalten, um Waffen und Drogen zu kaufen. Ich will, dass sie es so schwer haben, dass sie es nicht versuchen. Ich will nicht, dass Gruppen, die an deiner Weltanschauung hängen, neue Anhänger bekommen, deren Idealismus ausgenutzt und in eine falsche Richtung gelenkt wird. Ich will, dass diese Leute einen positiven Weg finden und so sich und uns weiterbringen. Ich will, dass Personen, die schon ihr ganzes (bisheriges) Leben lang mit dir leben, umdrehen, aussteigen und somit deine gefährlichsten Gegner werden. Ich will nicht, dass andere Menschen – so wie ich –  sich eines Tages kaum im Spiegel ansehen können. Ich will nicht, dass andere Narben tragen müssen. Ich will, dass sie glücklich sind und wenn sie ihren Körper verzieren wollen es nicht mit Zeichen tun, die anderen und ihnen schaden. Ich will, dass junge Männer zu gesunden Männern heranwachsen, die auch Schwäche zeigen können und dies nicht anstauen bis es wie ein Damm über ihnen zusammenbricht.

Somit „nein“, kein „Leb wohl“. Um deine Worte zu gebrauchen: „Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld“ und ich kenne dich. Ich kenne deine Symbole, deine Vertreter, deine versteckten Botschaften. Sie haben anderen und mir geschadet. Du kennst mich nicht, denn ich habe mich bei dir immer versteckt.

Wir sehen uns!

Alle Beiträge von ACD.

Meine zwei Leben – Zwischen Nazi-Musik und Studium

Foto: Majestic Lukas / unslash