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Meine zwei Leben – Zwischen Nazi-Musik und Studium

Von ACD.

Mit diesem Text möchte ich mich Euch vorstellen. Ich arbeite jeden Tag mit Menschen zusammen, trage Verantwortung für diese und helfe ihnen im Leben voranzukommen. Einige Jahre meines Lebens habe ich im Ausland verbracht. Doch noch vor einigen Jahren sah mein Alltag anders aus. Zum einen mit dem Studium und dem Lernen meinen Beruf auszuüben und das andere mit dem Hören von rechtsextremer Musik, dem Kauf und der Suche von seltenen Fanartikeln aus diesem Bereich und der Beschäftigung mit der nationalsozialistischen Idee. Mit diesem Text und weiteren möchte ich meinen Ausstieg aus der rechten Szene beschreiben und meine Erlebnisse dort für Euch Revue passieren lassen.

Doppelleben

Als ich noch in der rechtsextremen Musikszene aktiv – und – in der Vorbereitung für meinen jetzigen Beruf war, sah mein Leben folgendermaßen aus: Zur Universität ist man gefahren in ordentlicher Kleidung und den relevanten Unterlagen in der Tasche, doch mit dem iPod wurden Bands wie Der Stürmer, Stahlgewitter gehört. Während der Vorlesung wurden die dortigen Inhalte nicht öffentlich hinterfragt und dann zuhause entsprechend für die Klausuren aufbereitet und wiedergegeben. An Wochenenden hingegen wurde das Hemd durch schwarze Shirts oben genannter Gruppierungen ausgetauscht und in -bierseligen Runden unter der Schwarzen Sonne und später der Hakenkreuzfahne die Lieder entsprechender Gruppen mitgesungen und die Verbrechen des Dritten Reiches relativiert als auch glorifiziert. Aufgrund meines Wissens konnte ich anderen aus dieser Szene auch Wissen vermitteln, was den Aufbau des NS-Regimes oder Inhalte deren Ideologie begreiflich machen. Ca. 12 Mal besuchte ich Konzerte, bei denen von der Bühne Vernichtungsfantasien und Glorifizierung von der Zeit des Dritten Reiches oder rechter Gewalt der Standard waren. Diese Texte habe ich mitgesungen und mit dem Hitlergruß erwidert. Am Montag saß ich dann wieder in der Vorlesung. Zwischen vielen anderen Studenten, die zu einem großen Teil nicht wussten, was ich am Wochenende getan habe, während sie sich mit Freunden trafen oder für die Uni lernten. Eine gewisse „Spannung“ war immer dabei. „Wurde das Konzert gefilmt und man hat mich im Fernsehen gesehen?“ oder hat mich jemand „privat“ gesehen?

Diesen Dualismus zwischen akademischer Laufbahn und rechtsextremer Erlebniskultur möchte ich anhand einiger Beispiele beleuchten und versuchen begreifbar zu machen, wie dieser entstehen konnte. Aber auch früher ansetzen, um den Einstieg in eine Musikszene zu zeigen, die – in allen Punkten – meinem derzeitigen Leben widerspricht.

Vergangenheit & Gegenwart

Warum ich mich mittlerweile intensiver mit meiner Vergangenheit beschäftige und dies schreibe: Nach meinem ersten Besuch beim Lasern, um meine Tattoos zu entfernen, wurde eine Art „Panikreaktion“ ausgelöst. Ich bezweifelte meine Lebensweg und ob ich es überhaupt verdient habe, dort zu sein, wo ich heute bin und mit Menschen zu arbeiten, ihnen zu helfen und sie auch vor einem Weg zu bewahren, den ich doch selbst gegangen bin. Somit durchsuchte ich meine komplette Wohnung nach Spuren meiner Historie. Gefunden habe ich damals mehr als mir lieb war und hatte sehr daran zu kauen, dass ich nachts kaum Schlaf fand, selten einem Gespräch mit anderen folgen konnte. „Schmutzig“ habe ich mich gefühlt aufgrund meiner Vergangenheit und das Gefühl schlich sich ein, diese Spuren niemals entfernen zu können. Wie bin ich umgegangen mit der Frage: Ich finde eine CD, die ich früher oft gehört habe, in deren Texten eine verklärte Version des Dritten Reiches vermittelt wird? Damals habe ich sie zunächst zerschlagen und in den Müll geworfen. Das hat schon geholfen, doch lange hielt es nicht an. Die Fragen: „ Warum habe ich sie noch?“; „Wann habe ich sie das letzte Mal gehört?“ kamen hoch und das Gefühl, dass man die rechte Szene vielleicht noch nicht vollständig verlassen hat, obwohl man seit Jahren keine Konzerte mehr besucht hat, die Kleidung nicht mehr trägt und öffentlich für Demokratie eintritt? Diese Fragen werde ich versuchen in folgenden Texten  zu beantworten.

 

Weitere Texte der Serie werden in Kürze veröffentlicht.

Foto: Fabian Wichmann