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Extremismus und Deradikalisierung – Innere Sicherheit und Innerer Friede. Eine Programmatik des Kompetenzverbundes Extremismus und Deradikalisierung

Von Dr. Bernd Wagner.

Auszug:

Es besteht eine neue gesellschaftliche Lage in Bezug auf Radikalisierung und extremistische Bestrebungen. Neue Erscheinungen, Intensitäten und Verschränkungen extremistischen und terroristischen Handelns prägen das Bild.

Der Handlungsschwerpunkt der Sicherheitsbehörden liegt bislang hauptsächlich auf der ‚Intervention‘, wenn es um die Eingrenzung von extremistischer Kriminalität und Gewalt geht. Trotzdem ist die Staatsschutzdelinquenz, einschließlich des Terrors, ein anwachsender Faktor, der die Innere Sicherheit und den Innere Frieden in unserer Gesellschaft bedroht.

Hauptrichtung der Aktivitäten der Bürgergesellschaft und staatlicher Programme sind bisher ‚Demokratieförderung‘ und ‚Vorbeugung’. Es bedarf jedoch weiterer Formate in der Auseinandersetzung mit extremistischen Aktivitäten.

In den jüngsten Lage- und Strategiepapieren der Bundes- und Landesregierungen sowie in den Beschlüssen und Überlegungen politischer Parteien wird die Deradikalisierung nicht ausdrücklich als Handlungsformat erkannt und strategisch arbeitsteilig organisiert gefördert. Es ist kein nationaler und gesamtgesellschaftlicher Ansatz der Deradikalisierung in Sicht. Der Schwerpunkt in Sachen deradikalisierende Wirkungen liegt weiter allein auf Polizei, Nachrichtendiensten und Justiz, deren Voraussetzungen dafür aus rechtlichen und sachlichen Gründen begrenzt sind.

Es besteht deshalb die Notwendigkeit, den Blick nunmehr auch verstärkt auf die fokussierte Nutzung der Kompetenzen der Bürgergesellschaft zu richten, um eine weitere negative Lageveränderung abzuwenden und zugleich nachhaltig reduzierende Effekte auf radikale und spaltende Entwicklungen zu entwickeln, die nicht durch Ausnahmezustände oder polizeistaatliche Methoden dauerhaft zu erreichen sind. Es gilt deshalb, eine nachhaltige Anerkennung demokratischer Normen und Werte im Lebensalltag und in der freiheitlichen gesellschaftlichen Kultur anzustreben, die auf Einsicht und nur in den wirklich notwendigen Fällen auf Repression und Einschränkungen der Freiheit setzt.

Die deradikalisierende Kraft der Bürgergesellschaft intensiver zu nutzen, ist ein Gebot der Stunde. Zum einen, um staatliche Behörden bei der Generalprävention, der Abwehr unmittelbar drohender Gefahren und bei der Integration von Personen und Personengruppen eigenverantwortlich und selbstbewusst in diesem gemeinsamen demokratischen, freiheitssichernden Prozess zu unterstützen und zum anderen, um zugleich die demokratische Kultur der Sicherung von Freiheit und Würde aller zu entwickeln.

Die islamistischen Anschläge und die Entwicklung von rechts- und linksextremistischer Gewalt sowie die jüngsten Wahlergebnisse belegen den zu entwickelnden doppelstrategischen Ansatz eindrücklich.

Stärker als bisher herausgestellt werden muss in der Auseinandersetzung mit extremistischen Ideologien, Strukturen und deren Aktivitäten der direkte ‚Feldbezug’, d.h. das einzugrenzende und zu deradikalisierende Ensemble von Aktivitäten extremistischer Bewegungen, Gruppen, Netzwerke und Personen. Dazu kommen die sich aufschaukelnden Radikalisierungen in sozialen Räumen und Territorien, die militant und subversiv auf die demokratische Kultur und die Freiheit einwirken und die Innere Sicherheit und den Inneren Frieden gefährden. Hier gilt es, die seit den 1990er Jahren entwickelten Methoden und Potenziale nach gezielten Lageanalysen systematischer und fokussierter einzusetzen.

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