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Biker ohne Bikes – NS-Rockerklubs und ihre Rolle innerhalb der Szene

Von Elias Vander.

Elias war viele Jahre in der rechtsextremen Szene und im Umfeld von NS-Rockerklubs aktiv. Mit diesem Artikel gibt er einen groben Überblick über Entwicklungen und Relevanz dieser Gruppierungen innerhalb der rechtsextremen Szene.

NS-Rockerklubs

Alle NS-Rockerklubs sind ähnlich strukturiert und aufgebaut. Es gibt eine Hierarchie, die strikt eingehalten wird. Sie unterscheiden sich nur ein wenig in der Art und Weise, potentielle Mitglieder zu akquirieren, in der Höhe ihrer Mitgliedsbeiträge oder in der Anzahl ihrer Mitglieder. Sie verbindet das Interesse an Politik, Musik und Mode. Manchmal aber auch einfach das Gefühl, in der Gemeinschaft geschützt zu sein.

Der Klub wird hier meistens zu einer Art „Ersatzfamilie“, denn seine „Klubbrüder“ sieht man regelmäßiger als seine richtige Familie. Es gibt Member (Mitglieder), welche „demokratisch“ Themen besprechen und Entscheidungen treffen. Unter den Membern wirken die Prospects (Anwärter) und erfüllen alle „niederen“ Aufgaben, zum Beispiel den Tresendienst und das Bewirten der Member sowie guten Freunde auf Klubabenden oder größeren Feiern. Auf unterster Stufe stehen die „Hangarounds“ (Personen, die Interesse am Klub zeigen und regelmäßig vor Ort sind).

Gruppen in Deutschland

Der Habitus unpolitischer und größerer Rockerklubs wird komplett imitiert und versucht beizubehalten. Potentielle Mitglieder werden in verschiedenen Klubs unterschiedlich rekrutiert. An dieser Stelle seien vier der bekanntesten Gruppierungen genannt, beginnend mit dem Ältesten:

  • Die Vandalen Berlin Reichshauptstadt mit dem Beinamen „Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ wurden im Jahr 1982 gegründet.
  • Die „Turonen Thüringen“ hingegen sind eine jüngere Gruppierung, welche sich aber gerade mit der Organisation politscher Konzerte mit namhaften Bands in der Szene manifestiert haben.
  • Die „Barnimer Freundschaft“ arbeiten sehr eng mit den „Turonen Thüringen“ zusammen und teilen sich bestimmte Dienste, unter anderem den Sicherheitsdienst vor der Bühne oder den Einlass der Gäste und das damit verbundene Kartenabreißen.
  • Die Hermunduren sind ebenfalls mit allen anderen Gruppierungen befreundet und unterstützen diese Kameradschaften in vielen Dingen. Die „Hermunduren Thüringen“ sind ein eher kleiner Klub mit wenigen Vollmitgliedern.

All diese Klubs lassen ihre potentiellen neuen Mitglieder die drei Stufen (Hangaround, Prospect, Member) durchlaufen, auch um zu sehen, ob Klub und potentielle Member zueinander passen. Ein Klubhaus dient allen miteinander als Treffpunkt für Feierlichkeiten, wie Geburtstage der Mitglieder, Absprachen oder der Jahresfeiern der jeweiligen Organisation. In der Regel verfügen solche „Klubhäuser“ über einen speziellen „Memberraum“, in welchem konkrete Absprachen getroffen werden, bei denen die Prospects nicht einbezogen werden. Die Prospects „dürfen“ in dieser Zeit Klubgäste mit Getränken versorgen. Einige dieser Klubs verfügen über sogenannte „Unterstützerklubs“, welche dann eventuell später Prospects für den „Hauptklub“ stellen. Exakt wie im gängigen Rockermilieu, kann man die verschiedenen Mitglieder und deren Status anhand ihrer Patches (Aufnäher) erkennen und auch ihre Rolle innerhalb des Klubs ablesen. Ähnlich einer Uniform sind auf der Kutte diese an festgelegten Stellen angebracht. Nach einer von Klub zu Klub unterschiedlichen Zeit der Zugehörigkeit, darf sich ein Member die bestimmten Insignien seiner Gruppierung tätowieren. Beliebt sind hier natürlich die Namen des jeweiligen Klubs oder deren Symbole.

Darstellung & Agieren

Die Art und Weise, wie diese Klubs sich nach außen zeigen, wie sie leben, zieht Interessierte dieser speziellen Kameradschaften oder Bruderschaften an. Das Gefühl, unantastbar oder etwas ganz Besonderes innerhalb dieser Szene zu sein, lässt das eigene Ego stetig wachsen. Gesellschaftliche Regeln werden natürlich nicht ernst genommen oder gar verhöhnt. Die eigene Familie als sogenannte „Keimzelle des Volkes“ ist auf einmal gar nicht mehr so wichtig, denn einige Mitglieder bestimmter Gruppierungen haben nicht nur eine Frau oder Freundin, sondern gleich zwei oder noch mehr. Dieses Verhalten stärkt anscheinend das eigene Ego, ironischerweise geht es mit den nationalsozialistischen „Verhaltensregeln“ gegenüber der eigenen Frau oder Familie, deren man sich immer versichert, nicht konform. Alkohol lässt bekanntlich Hemmungen sinken, das Gleiche geschieht hier. Unter Einfluss von Alkohol passieren wohl die meisten Straftaten, in Form von Gewalttaten. Viele Mitglieder findet man regelmäßig in Boxhallen oder anderen Sporteinrichtungen wieder. Hier wird geboxt, Mixed Martial Arts trainiert und auch für den Kampf auf der Straße vorbereitet. All diese Faktoren suggerieren den Klubs so natürlich grundlegend falsche Ideale, zum Beispiel: „Die Bullen können uns gar nichts!“ Wenn diese Leute mit brachialer Gewalt gegen andere Menschen vorgehen, demonstrieren sie Macht und rasseln sprichwörtlich mit den Säbeln zur Abschreckung. Das sogenannte „Spießbürgertum“ wird eh nur als dumm und unwissend wahrgenommen.

Rolle in der Szene

Ihre Machtausübung innerhalb der Szene ist unabdingbar geworden, denn diese Klubs bringen dieser Szene viel Zulauf. Für politische Veranstaltungen stellen diese Klubs ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Meistens handelt es sich hier um eigene Immobilien oder um gemietete Räume, um welche sich die Vermieter nicht wirklich kümmern. Rechtsextreme Parteien, wie die NPD oder Der III. Weg, nutzen wiederum den Einfluss dieser Kameradschaften, um mit ihrer Hilfe Festivals zu organisieren, Ordnerdienste in Anspruch zu nehmen oder das Ausschenken von Getränken abzudecken. Man kann ganz klar sagen, dass Parteien oder andere Verbünde gerne die „Dienste“ und „Beziehungen“ dieser Klubs für sich nutzen. Der Ruf der Gewaltbereitschaft einiger Mitglieder eilt ihnen natürlich voraus, denn auf Konzerten gehen diese Leute sehr gewaltsam und nicht sehr zimperlich mit „Gleichgesinnten“ aus dem Publikum um, wenn diese sich wiederum nicht an vermeintliche Regeln des Veranstalters halten. Enge Freunde der Klubs zeigen ihre Loyalität auch, indem sie „Supportkleidung“ des Klubs tragen und quasi Werbung für diesen laufen. Bei den Vandalen Reichshauptstadt Berlin als Beispiel kann jeder Gast ein „Jahresfeier T-Shirt“ erwerben und seine Sympathie gegenüber der Gruppierung somit zum Ausdruck bringen. Auf diesen T-Shirts wird nicht der Name „Vandalen Reichshauptstadt“ abgedruckt, sondern der für die Befürworter geschaffene Beiname: „Ariogermanische Kampfgemeinschaft“. Die Gäste der Jahresfeiern tragen also später diese Unterstützerkleidung und laufen Werbung für den jeweiligen Klub. Diese speziellen Kameradschaften stellen auch die bekanntesten Musiker der Rechtsrockszene für offizielle Konzerte zur Verfügung und stärken somit im Hintergrund wirkend rechtsextreme Parteien und andere öffentlichkeitswirksame Strukturen. Sie gelten als Geldgeber der Veranstaltungen und zeigen allein dadurch schon eine gewisse Macht auf, denn ohne sie wäre alles etwas komplizierter. Durch das aggressive Auftreten reagiert selbst die Polizei oftmals zurückhaltend und eher sanfter, als sie wahrscheinlich reagieren müsste.

Zusammenfassung

Die Klubs tragen im Hintergrund agierend maßgeblich für das Bestehen und die Verbreitung des NS-Gedankenguts innerhalb der Szene bei. Die Klubs sind in den meisten Fällen auch intensiv mit der rechtsextremen Musikszene und deren Protagonisten vernetzt. Insbesondere rechtsradikale Bands und speziell deren Sänger haben erheblichen Einfluss auf die Jugend, oftmals mehr, als diverse Politiker rechtsextremer Parteien. Die größeren und bekannteren Bands der rechtsradikalen Szene werden eindeutig durch solche Rockerklubs protegiert. Sie bringen eine große Anhängerschaft mit und sorgen somit natürlich auch für ein gewisses Publikum.

Das Fazit ist, dass gerade solche NS-Rockergruppierungen für den Erhalt dieser Szene sorgen, sie stärken, Strukturen ausbauen, Netzwerke qualifizieren und finanzielle Mittel schaffen. Ohne diese Klubs wäre die Szene wesentlich abgeschwächter und vermutlich auch deutlich kleiner. Die Gefährlichkeit dieser Klubs darf auf gar keinen Fall unterschätzt werden!

 

Foto: Fabian Wichmann